Mittag bei Gadenstätter
Wir sitzen zu Tisch bei Gadenstätter, der Komponist trägt ein bequemes Shirt, es erinnert an einen Künstlerkittel. Als Nicht-Raucher schnorre ich eine Gauloise light und nippe an meinem oktagonalen Wasserglas, während Gadenstätter Schlückchen seines winzigen, grimmig schwarzen Kaffees nimmt. Sonnenlicht flutet in das Zimmer im 2. Wiener Bezirk. Der lange picknickartige Tisch ruht glatt vor reich mit Büchern bestückten Regalen - Büchern zu Kunst, Musik und Belletristik. Ich halte Gadenstätters Partitur in Händen, sauge den Anblick der fein gewobenen und sorgsam gezeichneten Notenköpfe oder kopflosen Noten ein.
Wir hatten uns gerade auf takt für großes Orchester angehört, das ganze Stück 33 Minuten beanspruchend. Ich stand dabei lange still, dann saß ich wieder auf einem verstellbaren Arbeitsstuhl. Ich horchte sehr aufmerksam auf die brillanten eruptiven Fragmente, durchsetzt von flachen Texturen, fein, gleichsam wie die Oberfläche textilen Gewebes. Die Farbexplosionen waren komprimiert, um dann zu expandieren hin zu einem zarten Fadenbündel von pianissimo. Als es vorbei war meinte ich „dafür sind Orchester da.”Gadenstätter sprang auf mit klarem Blick. Wenn er über seine Musik spricht, ist er von Intensität ergriffen. Wir sprachen über Ravel, den ersten Akkord seines G-Dur Klavierkonzertes. Die Fähigkeit Mahlers, Blei in Gold zu verwandeln und dem Gewöhnlichen Glanz zu verleihen. Über Strukturen, die aus Farben entspringen, nicht umgekehrt. Darüber, wie gut die Parts der Perkussionisten sein müssen. Über Stereo-Effekte durch ein symmetrisch angeordnetes Orchester. Den ersten Akkord als den Entscheidenden. Die Langsamkeit von Clemens Gadenstätters Arbeitsweise (beinahe zwei Jahre für dieses Stück).
Ich sagte: „In auf takt kann man hören, dass Du kein Pianist bist”. Er lächelt ob dieser Entdeckung. Als Flötist schreibt er mitten aus dem Orchester, nicht gleichsam darauf herabblickend.
Sehn Fruon
(übersetzt von I.-J.V.)
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